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Lexikon > Kleinwuchs


Kleinwuchs, Kleinwüchsigkeit oder Mikrosomie123 beim Menschen ist eine Bezeichnung für ein nicht der Norm entsprechendes, geringeres Körperlängenwachstum, das durch eine Vielzahl von angeborenen oder erworbenen Wachstumsstörungen hervorgerufen werden kann. Kleinwuchs ist in der Kinderheilkunde als Unterschreitung der 10. Perzentile definiert, d. h. weniger als zehn Prozent der Gleichaltrigen sind kleiner; Kleinwuchs oder Hyposomie kann vorliegen, wenn die Körpergröße das dritte Perzentil der Wachstumskurve für das entsprechende Alter unterschreitet bzw. den Mittelwert um mehr als zwei Standardabweichungen unterschreitet (d. h. nur 3 % der Gleichaltrigen sind kleiner).4
Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Normalverteilung der Körperlänge bedeutet, dass auch Gesunde diese Grenzen unterschreiten können; zudem gibt es große regionale Unterschiede der Körpergrößen. Wichtiger als der Absolutwert ist deshalb die zeitliche Entwicklung des Kindes, d. h. sollte seine Entwicklung den Perzentilen folgen und sie nicht nach unten hin kreuzen.5 Bei Erwachsenen bedeutet Kleinwuchs eine Körpergröße von unter 150 cm. Extremer Kleinwuchs (früher als Zwergwuchs oder Nanosomie bezeichnet) führt zu einer Endkörpergröße von unter 130 cm.6

Bezeichnung


Ein stark unterdurchschnittliches Längenwachstum wird in der Medizin als Kleinwuchs bezeichnet. Die frühere medizinische Bezeichnung „Minderwuchs“ wird aufgrund der negativen Konnotation nicht mehr verwendet. Ebenfalls negativ konnotiert sind Bezeichnungen wie „Zwerg“ oder „Liliputaner“, die teilweise immer noch umgangssprachlich verwendet werden, obwohl sie von den meisten Betroffenen als diskriminierend empfunden werden.

Differenzialdiagnose und Ursachen


Grob einteilend können pränatale und postnatale Ursachen definiert werden. Geläufig ist auch die Unterteilung in Primären Kleinwuchs und Sekundären Kleinwuchs.

Pränatale Ursachen (Primärer Kleinwuchs)


  • Chromosomenanomalien und Genmutationen
    • Verschiedene Syndrome (Silver-Russell-Syndrom, Laron-Syndrom, Ullrich-Turner-Syndrom, Trisomie 21, Achondroplasie), auch Hypophosphatasie und viele andere
  • Pränatale Entwicklungsstörungen
    • Exogene Noxen wie Nikotin, Alkohol (siehe auch: Fetales Alkoholsyndrom), Drogen und Infektionen
    • Fetale Mangelernährung
    • Plazentainsuffizienz
  • Vererbung
    • Familiärer Kleinwuchs7
    • Spondyloepiphysäre Dysplasie
    • Spondyloepimetaphysäre Dysplasie


Postnatale Ursachen (Sekundärer Kleinwuchs)


  • Chronische Krankheiten
    • Anämien
    • chronische Niereninsuffizienz
    • Herzvitien
    • Rheumatoide Arthritis
  • Endokrine Störungen
    • Hypercortisolismus
    • Hypothyreose
    • Wachstumshormonmangel
  • Iatrogen
    • Chemotherapie
    • hochdosierte Cortisontherapie
    • Strahlentherapie
  • Mangelversorgung
    • Eiweißmangel
    • Malresorption oder Malabsorption (Zöliakie, Morbus Crohn)
    • Unterernährung, weltweit der häufigste Grund für Kleinwuchs8
    • Vitaminmangel (insb. Vitamin D)
  • Psychosoziale Faktoren
    • Deprivation ist Ursache des psychosozialen Kleinwuchses
  • Stoffwechseldefekte
    • Diabetes mellitus
    • Glycogenosen
    • Mucopolysaccharidosen

Eine Sonderform nimmt die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung ein, die zwar pränatal/familiär angelegt ist, jedoch erst sekundär in Erscheinung tritt und eine verzögerte Entwicklung der Knochenreife zur Folge hat. Hier kann eine normale Körpergröße erreicht werden, nur eben mit Verzögerung.8
Hinsichtlich der klinischen Präsentation unterscheidet man den proportionierten Kleinwuchs vom dysproportionierten Kleinwuchs:

Proportionierter Kleinwuchs (Beispiele)


  • Chronische Krankheiten
  • Endokrine Störungen
  • Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung
  • Silver-Russell-Syndrom
  • Stoffwechseldefekte
  • Trisomie 21


Dysproportionierter Kleinwuchs (Beispiele)


  • Achondroplasie
  • Akromesomele Dysplasie
  • Hypochondroplasie
  • Spondylometaphysäre Dysplasie


Therapie


Die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache. Ist eine mangelnde Versorgung mit den zum Wachstum benötigten Nährstoffen, Vitaminen und ähnlichem die Ursache, müssen die Defizite ausgeglichen werden, gegebenenfalls durch Umstellung der Ernährung.
Bei Störungen der hormonellen Schiene muss der Hormonstatus ausgeglichen werden, zum Beispiel durch die Gabe von Wachstumshormonen.98 Auf diese Weise lässt sich jedoch nur so lange korrigierend eingreifen, wie sich das Skelett noch im Wachstum befindet. Nach Abschluss des Skelettwachstums bleiben diese Maßnahmen in der Regel erfolglos.
Die Bestimmung des Knochenalters ist daher für die Therapieentscheidung ausschlaggebend.

Primordialer Kleinwuchs


Neben den oben beschriebenen, nicht der Norm entsprechenden Formen von Kleinwuchs gibt es auch ethnische Gruppen, bei denen die durchschnittliche Körpergröße der Männer unter 150 cm liegt, und bei denen somit ein natürlicher, primordialer Kleinwuchs vorliegt. Im 19. Jahrhundert bürgerte sich für den Teil dieser ethnischen Gruppen, der vom afrikanischen Kontinent stammt, der Begriff „Pygmäen“ ein, welcher mittlerweile jedoch als überholt und ethnologisch unbrauchbar gilt.

Siehe auch


  • Kleinwüchsige im Alten Ägypten
  • Pygmäen
  • Hofzwerg
  • Zwergwuchs als evolutionäres Phänomen (Nanismus)
  • Zwergenwerfen (Menschenrechtsurteil, Berufsverbot)


Literatur


  • Betty M. Adelson: Dwarfism: Medical and Psychosocial Aspects of Profound Short Stature. Johns Hopkins University Press, 2005, ISBN 0-8018-8122-6, S. 50–54.
  • Artikel „Zwergwuchs, Minderwuchs, Nanismus, Nanosomie“, in: Lexikon der Biologie in acht Bänden, Band 8, Freiburg, Basel, Wien 1987, Herder Verlag, ISBN 3-451-19648-4, Seite 518


Weblinks


  • [http://bkmf.de/ BKMF Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e. V.]


Einzelnachweise


1 Flexikon |Name=Kleinwuchs |Abrufdatum=12. Oktober 2013
2 Peter Hoffmann: http://symptomat.de/Kleinw%C3%BCchsigkeit Kleinwüchsigkeit, abgerufen 12. Oktober 2013.
3 Spektrum.de: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/zwergwuchs/72190 Zwergwuchs, abgerufen: 13. Oktober 2015
4 Ludger Dorlöchter, M. Radke. Pädiatrie auf den Punkt Gebracht. [Ohne Ort]. Walter de Gruyter. 1999. S.321. ISBN 978-3-11-015552-5.
5 Klaus Buckup. Kinderorthopädie. . 2001. S.58–9.
6 Hans Bankl, Walter Ulrich. Arbeitsbuch Pathologie. [Ohne Ort]. Facultas-Univ.-Verlag. 2002. S.58. ISBN 978-3-85076-492-6.
7 publisher = Springer-Medizin-Verl. | isbn = 978-3-540-48632-9 | last = Harnack | first = Gustav-Adolf von | coauthors = Berthold Koletzko | title = Kinder- und Jugendmedizin : mit 154 Tabellen ; jetzt neu mit Fallquiz | location = Heidelberg | date = 2007
8 WHO http://www.who.int/pmnch/media/news/2013/countdown_accountabilityreport/en/ Countdown Accountability Report 2013 "Unacceptably high levels of stunting, a form of growth failure resulting from chronic undernutrition, in virtually all 75 countries"
9 M. B. Ranke, H.-G. Dörr et al.: „Therapie des Kleinwuchses mit Wachstumshormon Entwicklungen 10 Jahre nach der Einführung von rekombinantem Wachstumshormon“, Monatsschrift Kinderheilkunde, Bd. 148, Number 8 / August 2000, S. 746–761, doi:10.1007/s001120050633.



Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kleinwuchs

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